Blutbasierter multivariater Methylierungs-Risikoscore für kognitive Beeinträchtigung und Demenz
Bluttest könnte frühzeitig auf Demenzrisiko hinweisen
Eine bahnbrechende Studie eröffnet neue Möglichkeiten zur Früherkennung von Demenz mittels eines einfachen Bluttests. Forscher haben einen innovativen Ansatz entwickelt, der die DNA-Methylierung im Blut nutzt, um das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz vorherzusagen.
Die von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Ehsan Pishva von der Universität Maastricht durchgeführte Studie wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Alzheimer’s & Dementia veröffentlicht. Sie könnte den Weg für personalisierte Präventionsstrategien ebnen und die Früherkennung von Demenzerkrankungen revolutionieren.
DNA-Methylierung als molekularer Fingerabdruck
Im Mittelpunkt der Studie steht die DNA-Methylierung – ein epigenetischer Mechanismus, der die Genaktivität reguliert, ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern.
„Die DNA-Methylierung fungiert als eine Art molekulares Gedächtnis, das Umwelteinflüsse und Lebensstilfaktoren widerspiegelt“, erklärt Pishva. „Wir wollten untersuchen, ob diese epigenetischen Muster im Blut Aufschluss über das Demenzrisiko einer Person geben können.“
Die Forscher analysierten DNA-Methylierungsdaten aus Blutproben von über 1000 Personen mittleren Alters. Dabei entwickelten sie einen neuartigen „multivariaten Methylierungs-Risiko-Score“ (MMRS), der verschiedene bekannte Risikofaktoren für Demenz berücksichtigt.
Vielversprechende Ergebnisse in mehreren Studien
Der MMRS zeigte eine bemerkenswerte Fähigkeit, leichte kognitive Beeinträchtigungen (MCI) vorherzusagen – ein Zustand, der häufig der Alzheimer-Krankheit vorausgeht. In einer unabhängigen Stichprobe erreichte der Score eine Genauigkeit von 68% bei der Identifizierung von Personen mit MCI.
Noch bedeutsamer ist, dass der MMRS auch das zukünftige Risiko für kognitive Probleme vorhersagen konnte. In einer Langzeitstudie mit Parkinson-Patienten hatten Personen mit einem hohen MMRS ein 2,6-fach erhöhtes Risiko, innerhalb von fünf Jahren kognitive Beeinträchtigungen zu entwickeln.
„Diese Ergebnisse sind wirklich aufregend“, kommentiert Mitautor Lars Bertram von der Universität zu Lübeck. „Sie deuten darauf hin, dass unser blutbasierter Test nicht nur den aktuellen kognitiven Status widerspiegelt, sondern auch zukünftige Risiken aufzeigen kann.“
Einzigartige Informationen jenseits genetischer Risiken
Ein besonders interessanter Aspekt der Studie ist, dass der MMRS Informationen liefert, die über bekannte genetische Risikofaktoren für Demenz hinausgehen. Die Forscher verglichen ihren Score mit herkömmlichen genetischen Risikomarkern und fanden nur eine geringe Überlappung.
„Das zeigt, dass unser epigenetischer Ansatz wirklich neue Erkenntnisse liefert“, betont Pishva. „Er erfasst Aspekte des Demenzrisikos, die in den Genen allein nicht sichtbar sind – vermutlich den Einfluss von Umwelt und Lebensstil.“
Potenzial für personalisierte Prävention
Die Studie eröffnet spannende Perspektiven für die Demenzprävention. „Wenn wir Hochrisikopersonen frühzeitig identifizieren können, haben wir die Chance, rechtzeitig mit präventiven Maßnahmen zu beginnen“, erklärt Katie Lunnon von der University of Exeter, eine weitere beteiligte Forscherin.
Denkbar wären beispielsweise maßgeschneiderte Lebensstilinterventionen oder eine engmaschigere Überwachung.
„Da die DNA-Methylierung durch Faktoren wie Ernährung und körperliche Aktivität beeinflusst wird, könnten wir möglicherweise sogar den Risiko-Score selbst durch gezielte Interventionen verbessern“, spekuliert Lunnon.
Herausforderungen und nächste Schritte
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse betonen die Forscher, dass noch weitere Studien nötig sind, bevor der Test in der klinischen Praxis eingesetzt werden kann. „Wir müssen die Genauigkeit weiter verbessern und den Test an größeren, vielfältigeren Populationen validieren“, sagt Pishva.
Zudem ist noch unklar, wie sich ein erhöhter MMRS am besten in präventive Maßnahmen übersetzen lässt. „Wir brauchen klinische Studien, um herauszufinden, welche Interventionen bei Personen mit hohem epigenetischem Risiko am effektivsten sind“, ergänzt Bertram.
Dennoch sehen die Forscher in ihrem Ansatz enormes Potenzial.
„Dieser blutbasierte Test könnte eines Tages Teil der Routineuntersuchungen werden, ähnlich wie Cholesterin-Checks“, meint Lunnon. „Er würde Ärzten ein weiteres wertvolles Instrument an die Hand geben, um das Demenzrisiko ihrer Patienten einzuschätzen und frühzeitig gegenzusteuern.“
Die Studie markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu besseren Früherkennungs- und Präventionsmöglichkeiten für Demenzerkrankungen. Sie unterstreicht einmal mehr die Bedeutung epigenetischer Faktoren für die Gehirngesundheit und eröffnet neue Perspektiven für personalisierte Ansätze in der Demenzforschung und -behandlung.
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