Uneinigkeit über die Grundprinzipien des biologischen Alterns
Altersforschung zeigt überraschenden Mangel an Konsens unter Experten
Eine bahnbrechende Umfrage unter Altersforschern hat einen erstaunlichen Mangel an Übereinstimmung bei grundlegenden Fragen zur Natur des Alterns aufgedeckt. Die in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie unterstreicht die Notwendigkeit klarerer Definitionen und Ziele in der Altersforschung.
Unter der Leitung eines internationalen Wissenschaftlerteams richtete sich die Umfrage an Teilnehmer der Systems Aging Gordon Research Conference 2022. Die Forscher wollten verstehen, wie Experten auf diesem Gebiet den von ihnen untersuchten Alterungsprozess wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigten eine weitverbreitete Uneinigkeit bei Kernfragen, einschließlich der Definition des Alterns, seiner Ursachen, wann es beginnt und was Verjüngung ausmacht.
Dr. Vadim Gladyshev, der leitende Autor der Studie, erklärte: „Wir waren überrascht festzustellen, dass keine der Fragen eine Mehrheitsmeinung erhielt – nicht einmal bezüglich der Notwendigkeit eines Konsenses. Dies zeigt eine kritische Lücke in unserem Verständnis des Alterns auf.“
Die Umfrage offenbarte unterschiedliche Ansichten zur Natur des Alterns:
1. Definition des Alterns: Die Antworten reichten von „Funktionsverlust über die Zeit“ bis hin zu „Ansammlung von Schäden“ und „multifaktorieller Prozess von Veränderungen“.
2. Ursachen des Alterns: Während Schäden ein häufiges Thema waren, variierten die Antworten stark und umfassten Dysregulation, evolutionäre Einschränkungen und programmierte Prozesse.
3. Beginn des Alterns: Die Meinungen gingen dramatisch auseinander, mit Antworten von der Empfängnis bis zum Alter von 25 Jahren.
4. Verjüngung: Die Ansichten waren gespalten, ob das Beenden schädlicher Verhaltensweisen eine echte Verjüngung darstellt.
Dr. Daniel Belsky, ein Co-Autor der Studie, bemerkte: „Diese Uneinigkeit hat reale Auswirkungen auf Forschungsprioritäten und Interventionsstrategien. Wenn wir uns nicht einig sind, was Altern ist, wie können wir es dann effektiv angehen?“
Trotz des fehlenden Konsenses offenbarte die Umfrage einige gemeinsame Themen. Die meisten Forscher stimmten darin überein, dass Altern existiert, identifizierbare Ursachen und Auswirkungen hat und experimentell untersucht werden kann. Es bestand auch allgemeine Übereinstimmung darin, dass Altern von Natur aus schädlich ist und die Ansammlung schädlicher Veränderungen beinhaltet.
Die Autoren der Studie argumentieren, dass diese Meinungsvielfalt den Fortschritt in diesem Bereich behindern könnte. Sie schlagen vor, dass klarere Definitionen und ein einheitlicheres Verständnis des Alterns gezieltere und effektivere Forschungsbemühungen unterstützen könnten.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit für die Altersforschungsgemeinschaft, diese grundlegenden Fragen anzugehen“, sagte Dr. Gladyshev. „Wir hoffen, dass diese Studie wichtige Diskussionen anregen und letztendlich zu gezielteren und effektiveren Ansätzen zum Verständnis und zur Intervention in den Alterungsprozess führen wird.“
Die Forscher schlagen mehrere Möglichkeiten vor, um die Uneinigkeit anzugehen, darunter:
1. Wissenschaftler ermutigen, in veröffentlichten Arbeiten klare Definitionen des Alterns einzubeziehen
2. Entwicklung neuer Begriffe zur präziseren Beschreibung verschiedener Aspekte des Alterns
3. Stärkere Fokussierung der Forschungsbemühungen auf die direkte Behandlung grundlegender Fragen zur Natur des Alterns
Angesichts der alternden Weltbevölkerung wird das Verständnis der grundlegenden Prinzipien des Alterns zunehmend wichtiger. Diese Studie dient als Weckruf für das Fachgebiet und unterstreicht die Notwendigkeit eines kohärenteren Ansatzes in der Altersforschung, der letztendlich zu effektiveren Interventionen zur Förderung gesunden Alterns führen könnte.
Zusammenfassung der Forschungsarbeit:
1. Methodik:
– Umfrage unter Teilnehmern der Systems Aging Gordon Research Conference 2022
– Analyse von 103 Antworten, einschließlich Professoren, Postdoktoranden, Doktoranden und Industriefachleuten
– Fragen deckten grundlegende Aspekte des Alterns ab, einschließlich Definitionen, Ursachen, Beginn und Verjüngung
2. Hauptergebnisse:
– Kein Konsens bei grundlegenden Fragen zum Altern
– Vielfältige Meinungen zur Definition, den Ursachen und dem Beginn des Alterns
– Uneinigkeit darüber, was Verjüngung ausmacht
– Einige gemeinsame Themen traten hervor, wie der Glaube, dass Altern existiert und schädlich ist
3. Einschränkungen der Studie:
– Relativ kleine Stichprobengröße
– Teilnehmer beschränkt auf Besucher einer spezifischen Konferenz
– Umfrage konzentrierte sich auf grundlegende Fragen und deckte nicht alle Aspekte der Altersforschung ab
4. Diskussion & Erkenntnisse:
– Mangelnder Konsens könnte den Fortschritt in der Altersforschung behindern
– Notwendigkeit klarerer Definitionen und eines einheitlicheren Verständnisses des Alterns
– Bedeutung der Behandlung grundlegender Fragen zur Verbesserung des Forschungsfokus und der Effektivität
– Potenzial für neue Ansätze zur Untersuchung und Intervention in den Alterungsprozess
Quelle
Vadim N Gladyshev et al. Disagreement on foundational principles of biological aging, PNAS Nexus (2024). DOI: 10.1093/pnasnexus/pgae499. academic.oup.com/pnasnexus/art … 93/pnasnexus/pgae499