Forscher haben einen Weg gefunden, ungute Erinnerungen zu löschen

Schmerzhafte Erinnerungen umschreiben: Schlafbasierte Technik zeigt vielversprechende Ergebnisse
Eine bahnbrechende Studie, die in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, enthüllt einen neuartigen Ansatz zur Abschwächung belastender Erinnerungen durch schlafbasierte Interventionen. Forscher der Universität Hongkong haben gezeigt, dass es durch die Reaktivierung positiver Erinnerungen während des Schlafs möglich ist, die Auswirkungen älterer, aversiver Erinnerungen zu verringern.
„Unsere Ergebnisse eröffnen breite Wege, um aversive oder traumatische Erinnerungen zu schwächen“, sagt der leitende Forscher Dr. Xiaoqing Hu. „Dies könnte bedeutende Auswirkungen auf die Behandlung von Zuständen wie posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Angststörungen haben.“
Die Kraft der positiven Interferenz
Die Studie umfasste ein mehrtägiges Experiment, bei dem die Teilnehmer zunächst Assoziationen zwischen Nonsens-Wörtern und aversiven Bildern lernten. Am folgenden Tag lernten sie neue Assoziationen zwischen einigen dieser Wörter und positiven Bildern, was die Forscher als „Interferenz“ bezeichnen.
Während des anschließenden Non-REM-Schlafs (NREM) verwendeten die Forscher eine Technik namens gezielte Gedächtnisreaktivierung (TMR). Sie spielten den schlafenden Teilnehmern Audiohinweise vor, die sowohl mit aversiven als auch mit positiven Bildern verbunden waren.
„Wir stellten fest, dass das Cueing während des Schlafs nicht nur die Erinnerung an aversive Erinnerungen schwächte, sondern auch unfreiwillige Intrusionen positiver Erinnerungen erhöhte“, erklärt Dr. Hu. Dies deutet darauf hin, dass das Gehirn während des Schlafs bevorzugt die neueren, positiven Assoziationen reaktivierte und stärkte.
Veränderung emotionaler Reaktionen
Über die Beeinflussung des Gedächtnisabrufs hinaus stellte die Studie fest, dass diese schlafbasierte Intervention die emotionale Reaktion der Teilnehmer auf die Hinweisreize veränderte. Nach der Intervention waren die Teilnehmer eher geneigt, positive Urteile über die Hinweisreize zu fällen, die sie während des Schlafs gehört hatten.
„Unsere computergestützte Modellierung ergab, dass das Cueing die Evidenzakkumulation in Richtung positiver Affektbeurteilungen erleichterte“, sagt Co-Autor Dr. Ken A. Paller. „Dies deutet auf eine tiefere Veränderung in der Art und Weise hin, wie diese Erinnerungen emotional verarbeitet werden.“
Einblicke in die Gehirnaktivität
Die Forscher untersuchten auch die Gehirnaktivität der Teilnehmer während des Schlafs mittels Elektroenzephalographie (EEG). Sie fanden heraus, dass bestimmte Hirnwellenmuster, insbesondere im Theta-Frequenzbereich, vorhersagten, welche Erinnerungen am stärksten von der Intervention beeinflusst würden.
„Die durch Hinweisreize ausgelöste Theta-Power während des Schlafs sagte vorwiegend den Abruf positiver Erinnerungen voraus“, bemerkt Dr. Hu. „Dies gibt uns wertvolle Einblicke in die neuronalen Mechanismen, die der Gedächtnismodifikation während des Schlafs zugrunde liegen.“
Potenzial für klinische Anwendungen
Obwohl die Studie künstlich erzeugte Erinnerungen in einer Laborumgebung verwendete, sind die Forscher optimistisch hinsichtlich ihrer potenziellen klinischen Anwendungen. Dr. Hu schlägt vor: „Zukünftige Forschung könnte Möglichkeiten untersuchen, positive interferierende Erinnerungen einzuführen, wie positive autobiografische Erinnerungen oder therapiebezogene Erinnerungen, um reale Traumaerinnerungen effektiv zu schwächen.“
Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung des Schlafs für die Gedächtnisverarbeitung und emotionale Regulation. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Schlaf eine einzigartige Gelegenheit bietet, unsere emotionalen Erinnerungen umzugestalten“, sagt Dr. Paller. „Dies könnte zu neuen schlafbasierten Therapien für emotionale Störungen führen.“
Vorsicht und zukünftige Richtungen
Die Forscher warnen, dass trotz der vielversprechenden Ergebnisse weitere Arbeit erforderlich ist, bevor diese Technik klinisch angewendet werden kann. „Wir müssen feststellen, ob diese Effekte langanhaltend sind und wie sie auf komplexere, reale Erinnerungen angewendet werden könnten“, erklärt Dr. Hu.
Zukünftige Studien werden darauf abzielen, die Technik zu verfeinern und ihre Wirksamkeit in klinischen Populationen zu untersuchen. Die Forscher sind besonders daran interessiert, wie diese Methode mit bestehenden Therapien für PTBS und Angststörungen kombiniert werden könnte.
Mit unserem wachsenden Verständnis von Schlaf und Gedächtnis eröffnet diese Studie spannende Möglichkeiten, die Kraft unseres schlafenden Gehirns zu nutzen, um emotionales Wohlbefinden und psychische Gesundheit zu fördern.
Zusammenfassung des Forschungspapiers:
1. Methodik:
– Mehrtägiges Experiment mit 37 Teilnehmern
– Tag 1: Erlernen aversiver Wort-Bild-Assoziationen
– Tag 2: Erlernen positiver Assoziationen für die Hälfte der Wörter
– Gezielte Gedächtnisreaktivierung während des NREM-Schlafs
– Gedächtnistests und Affektbeurteilungen vor und nach dem Schlaf
– EEG-Aufzeichnung während des Schlafs
2. Hauptergebnisse:
– TMR schwächte den Abruf aversiver Erinnerungen
– Erhöhte Intrusionen positiver Erinnerungen
– Verbesserte positive Affektbeurteilungen
– Theta-Gehirnaktivität sagte den Abruf positiver Erinnerungen voraus
3. Studienbeschränkungen:
– Im Labor erzeugte Erinnerungen, keine realen traumatischen Erfahrungen
– Kurzfristige Effekte, langfristige Auswirkungen noch nicht etabliert
– Relativ kleine Stichprobengröße
4. Diskussion & Erkenntnisse:
– Neuartiger Ansatz zur Schwächung aversiver Erinnerungen während des Schlafs
– Potenzielle Anwendungen für PTBS und Angststörungen
– Unterstreicht die Rolle des Schlafs bei der Verarbeitung emotionaler Erinnerungen
– Ruft zu weiterer Forschung über klinische Anwendungen und langfristige Effekte auf
Quelle
T. Xia, D. Chen, S. Zeng, Z. Yao, J. Liu, S. Qin, K.A. Paller, S.G. Torres Platas, J.W. Antony, X. Hu, Aversive memories can be weakened during human sleep via the reactivation of positive interfering memories, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A.