Entschlüsselung von Geheimnissen des Gehirns: Neue Studie enthüllt einzigartige Merkmale von Neuronen, die mit Autismus und Schizophrenie in Verbindung stehen

Neuronen unter der Lupe: Wegweisende Erkenntnisse zu Autismus und Schizophrenie
In einer bahnbrechenden Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, haben Forscher neue Erkenntnisse über die komplexen Funktionsweisen der Informationsverarbeitungszentren unseres Gehirns gewonnen. Das Team unter der Leitung von Prof. Joris de Wit von VIB-KU Leuven hat faszinierende Unterschiede zwischen zwei Arten von Gehirnzellen aufgedeckt, die ihre Anfälligkeit für Zustände wie Autismus und Schizophrenie erklären könnten.
Die pyramidalen Neuronen der Schicht 5 des Gehirns fungieren als wichtige Relais-Knotenpunkte, die Informationen in unseren neuronalen Schaltkreisen integrieren und verteilen. Diese Neuronen gibt es in zwei Varianten: intratelenzephalische (IT) Neuronen und Pyramidenbahnneuronen (PT). Während Wissenschaftler schon lange von ihrer Existenz wussten, blieb die molekulare Zusammensetzung ihrer Synapsen – den Verbindungsstellen, an denen Neuronen chemische Botschaften austauschen – bis jetzt ein Rätsel.
Mithilfe einer innovativen Technik namens Proximity-Biotinylierung konnten die Forscher detaillierte Profile der synaptischen Proteine sowohl in IT- als auch in PT-Neuronen erstellen. Diese hochpräzise Methode ermöglichte es ihnen, die molekulare Zusammensetzung dieser Synapsen in intakten Gehirnschaltkreisen von Mäusen zu untersuchen.
„Die Kartierung der synaptischen Proteinzusammensetzung von Schicht-5-Neuronen ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis, wie diese Neuronen in neuronale Schaltkreise eingebunden sind und wie dieser Prozess durch Entwicklungsstörungen des Nervensystems beeinflusst werden kann“, erklärt Prof. de Wit.
Die Studie enthüllte unterschiedliche „synaptische Signaturen“ für IT- und PT-Neuronen, die sich durch Unterschiede in Proteinen auszeichnen, welche die synaptische Organisation und Übertragung regulieren. Dazu gehören Zelloberflächenproteine, Neurotransmitter-Rezeptoren und Ionenkanäle – allesamt entscheidende Komponenten für eine ordnungsgemäße neuronale Kommunikation.
Besonders interessant ist, dass die Forscher eine deutliche Anreicherung von Autismus-Risikogenen in der synaptischen Signatur von IT-Neuronen im Vergleich zu PT-Neuronen entdeckten. Dieser Befund stimmt mit Studien am Menschen überein und deutet darauf hin, dass die erregenden Synapsen von IT-Neuronen besonders anfällig für Autismus-bedingte Veränderungen sein könnten.
Dr. Gabriele Marcassa, Erstautorin der Studie, betont die möglichen Auswirkungen dieser Erkenntnisse: „Indem wir unseren Ansatz zur Kartierung synaptischer Profile verschiedener Neuronentypen im Gehirn erweitern, können wir beginnen, ihre Rollen in Gesundheit und Krankheit zu verstehen.“
Die Implikationen dieser Forschung gehen über Autismus hinaus. Das Team fand auch heraus, dass PT-Neuronen eine höhere Assoziation mit Schizophrenie-bezogenen Genen aufwiesen, was auf eine potenzielle Anfälligkeit für diese Erkrankung hindeutet.
Dieses neue Verständnis der molekularen Unterschiede zwischen IT- und PT-Neuronen eröffnet spannende Wege für zukünftige Forschung. Das Team plant zu untersuchen, wie Autismus-Risikogene speziell die Verdrahtung und Informationsverarbeitung von IT-Neuronen beeinflussen, unterstützt durch Fördermittel der Simons Foundation.
Während wir weiterhin die Komplexität der Schaltkreise unseres Gehirns entschlüsseln, bringen uns Studien wie diese einen Schritt näher an die Entwicklung gezielter Therapien für Entwicklungsstörungen des Nervensystems. Durch das Verständnis der einzigartigen Anfälligkeiten bestimmter Neuronentypen könnten Forscher in der Lage sein, Interventionen zu entwickeln, die die Grundursachen von Zuständen wie Autismus und Schizophrenie auf synaptischer Ebene angehen.
Zusammenfassung des Forschungspapiers:
1. Methodik:
– Verwendung der Proximity-Biotinylierungstechnik zur Profilierung synaptischer Proteine in Schicht-5 IT- und PT-Neuronen von Mäusen
– Einsatz fortschrittlicher Proteomik- und Bioinformatik-Analysen zur Identifizierung unterschiedlicher synaptischer Signaturen
2. Hauptergebnisse:
– Entdeckung einzigartiger synaptischer Proteinzusammensetzungen für IT- und PT-Neuronen
– Feststellung einer Anreicherung von Autismus-Risikogenen in IT-Neuron-Synapsen
– Identifizierung einer Assoziation von Schizophrenie-bezogenen Genen mit PT-Neuronen
3. Studienbeschränkungen:
– Durchführung an Mausmodellen, erfordert weitere Validierung in menschlichem Gewebe
– Fokussierung auf spezifische Schicht-5-Neuronen, Notwendigkeit der Erforschung anderer Neuronentypen
4. Diskussion & Erkenntnisse:
– Liefert neue Einblicke in die molekulare Grundlage von Entwicklungsstörungen des Nervensystems
– Eröffnet Wege für gezielte Forschung zu Autismus- und Schizophrenie-Mechanismen
– Zeigt das Potenzial der synaptischen Profilierung für das Verständnis der Funktion von Gehirnschaltkreisen und deren Anfälligkeit für Krankheiten
Quelle
Marcassa, G., Dascenco, D., Lorente-Echeverría, B. et al. Synaptic signatures and disease vulnerabilities of layer 5 pyramidal neurons. Nat Commun 16, 228 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-024-55470-w