Ein neurovaskulärer Ansatz zur Erkennung der Alzheimer-Krankheit

Alzheimer-Krankheit: Neue Studie enthüllt veränderte Gehirnrhythmen
Eine bahnbrechende Studie hat neue Erkenntnisse über die komplexen Abläufe im Gehirn bei der Alzheimer-Krankheit aufgedeckt und ebnet möglicherweise den Weg für eine frühere Diagnose und wirksamere Behandlungen. Forscher der Lancaster University und des Universitätsklinikums Ljubljana haben entdeckt, dass die rhythmischen Wechselwirkungen zwischen Blutfluss und Gehirnaktivität bei Menschen mit Alzheimer gestört sind, was eine neue Perspektive auf diese verheerende Erkrankung eröffnet.
Die im Fachjournal Brain Communications veröffentlichte Studie nutzte eine Kombination fortschrittlicher Bildgebungstechniken des Gehirns, um das komplexe Zusammenspiel zwischen Blutgefäßen und Neuronen im Gehirn zu untersuchen. Diese Interaktion, bekannt als neurovaskuläre Kopplung, ist entscheidend für die Erhaltung der Gesundheit und Funktion des Gehirns.
Dr. Juliane Bjerkan, Hauptautorin der Studie, erklärt: „Wir haben festgestellt, dass die Koordination zwischen der Sauerstoffversorgung des Gehirns und der elektrischen Aktivität bei Alzheimer-Patienten im Vergleich zu gesunden Personen ähnlichen Alters deutlich reduziert ist. Dies deutet darauf hin, dass die Fähigkeit des Gehirns, seine Blutversorgung als Reaktion auf neuronale Aktivität zu regulieren, bei der Alzheimer-Krankheit beeinträchtigt ist.“
Das Forscherteam verwendete funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) zur Messung der Sauerstoffversorgung des Gehirns und Elektroenzephalographie (EEG) zur Aufzeichnung der elektrischen Gehirnaktivität. Zudem wurden Herzfrequenz und Atmungsmuster überwacht. Durch die Analyse dieser verschiedenen physiologischen Rhythmen konnten sie subtile Veränderungen der Gehirnfunktion erkennen, die mit herkömmlichen Gehirnscans nicht sichtbar sind.
Eine der auffälligsten Erkenntnisse war eine signifikante Abnahme der Stärke der Oszillationen der Gehirnsauerstoffversorgung bei Alzheimer-Patienten. Dr. Aneta Stefanovska, leitende Autorin der Studie, merkt an: „Diese Verringerung der oszillatorischen Stärke könnte auf Probleme mit der Fähigkeit des Gehirns hindeuten, Sauerstoff und Nährstoffe effektiv an die Neuronen zu liefern. Es ist, als würde die Versorgungskette des Gehirns zusammenbrechen.“
Die Forscher beobachteten auch eine globale Reduktion der Koordination der Sauerstoffversorgung des Gehirns über verschiedene Gehirnregionen hinweg bei Alzheimer-Patienten. Dieser Mangel an Synchronisation könnte einige der kognitiven Symptome erklären, die mit der Krankheit verbunden sind, wie Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis und der Aufmerksamkeit.
Interessanterweise stellte die Studie fest, dass Alzheimer-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine höhere durchschnittliche Atemfrequenz aufwiesen. Während die genaue Bedeutung dieses Befundes noch nicht klar ist, könnte er mit Veränderungen in der Kontrolle autonomer Funktionen durch das Gehirn oder möglicherweise mit einem Kompensationsmechanismus zusammenhängen.
Dr. Bernard Meglič, ein an der Studie beteiligter Neurologe, betont die möglichen klinischen Implikationen: „Diese Veränderungen in den Gehirnrhythmen könnten als frühe Marker für die Alzheimer-Krankheit dienen und es uns möglicherweise erlauben, den Krankheitsprozess viel früher zu identifizieren und zu intervenieren, als es mit den derzeitigen Methoden möglich ist.„
Die Forschung unterstreicht auch die Bedeutung, das Gehirn als Teil eines größeren, vernetzten Systems zu betrachten. Durch die Untersuchung der Beziehungen zwischen Gehirnaktivität, Blutfluss, Herzfrequenz und Atmung liefert die Studie eine ganzheitlichere Sicht auf die Gehirnfunktion bei der Alzheimer-Krankheit.
Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, warnen die Forscher, dass weitere Arbeit erforderlich ist, bevor diese Techniken in der klinischen Praxis eingesetzt werden können. „Unser nächster Schritt ist es, zu sehen, ob diese Veränderungen in den Gehirnrhythmen den Verlauf der Alzheimer-Krankheit oder das Ansprechen auf eine Behandlung vorhersagen können“, sagt Dr. Bjerkan.
Diese Studie eröffnet neue Wege zum Verständnis und zur potenziellen Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Indem sie sich auf die dynamischen Wechselwirkungen innerhalb des Gehirns konzentriert und nicht nur auf strukturelle Veränderungen, bietet sie eine neue Perspektive auf diese komplexe Erkrankung. Mit der Fortsetzung der Forschung auf diesem Gebiet könnte sie zu neuen diagnostischen Werkzeugen und therapeutischen Ansätzen führen, die das Leben von Millionen von Menschen, die weltweit von der Alzheimer-Krankheit betroffen sind, verbessern könnten.
Zusammenfassung der Forschungsarbeit:
1. Methodik:
– Verwendung von funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), Elektroenzephalographie (EEG), Elektrokardiogramm (EKG) und Atmungsüberwachung
– Analyse der Daten mit fortschrittlichen Zeit-Frequenz-Analysemethoden
– Vergleich von 19 Alzheimer-Patienten mit 20 altersangepassten Kontrollpersonen
2. Hauptergebnisse:
– Reduzierte Stärke der Oszillationen der Gehirnsauerstoffversorgung bei Alzheimer-Patienten
– Verringerte globale Kohärenz der Sauerstoffversorgung des Gehirns über verschiedene Gehirnregionen hinweg
– Veränderte neurovaskuläre Kopplung, insbesondere im myogenen Frequenzbereich
– Erhöhte durchschnittliche Atemfrequenz bei Alzheimer-Patienten
3. Einschränkungen der Studie:
– Relativ kleine Stichprobengröße
– Aufgrund des Studiendesigns keine Möglichkeit, kausale Zusammenhänge herzustellen
– Potenzielle Bewegungsartefakte während langer Aufnahmesitzungen
4. Diskussion & Schlussfolgerungen:
– Die Ergebnisse deuten auf eine beeinträchtigte Funktion der neurovaskulären Einheit bei der Alzheimer-Krankheit hin
– Die Resultate unterstreichen die Bedeutung, das Gehirn als Teil eines vernetzten physiologischen Systems zu betrachten
– Potenzial für die Entwicklung neuer diagnostischer Marker und therapeutischer Ziele für die Alzheimer-Krankheit
– Betonung der Notwendigkeit weiterer Forschung zur Validierung der Ergebnisse und Erforschung klinischer Anwendungen
Quelle
Juliane Bjerkan et al, Neurovascular phase coherence is altered in Alzheimer’s disease, Brain Communications (2025). DOI: 10.1093/braincomms/fcaf007