Studie legt nahe, dass Herpesviren die Alzheimer-Pathologie beeinflussen können
Bild: HSV-1 ICP27 expression area increases 3-fold and localizes to microglia in AD. Credit: Cell Reports (2025)
Herpes-Alzheimer-Verbindung: Die überraschende Schutzfunktion des Tau-Proteins
Eine bahnbrechende Studie hat eine überraschende Verbindung zwischen der Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) und der Alzheimer-Krankheit (AD) aufgedeckt und dabei eine unerwartete Schutzfunktion des Tau-Proteins enthüllt. Diese in Cell Reports veröffentlichte Forschung wirft ein neues Licht auf das komplexe Zusammenspiel zwischen Virusinfektionen und neurodegenerativen Erkrankungen.
Forscher der University of California, Irvine, haben entdeckt, dass das Tau-Protein, das typischerweise mit der Bildung von neurofibrillären Bündeln bei AD in Verbindung gebracht wird, tatsächlich eine schützende Rolle gegen HSV-1-Infektionen in Neuronen spielen könnte. Diese Erkenntnis stellt unser derzeitiges Verständnis der Rolle von Tau bei der Neurodegeneration in Frage und eröffnet neue Wege für potenzielle therapeutische Interventionen.
Die Studie konzentrierte sich auf den cGAS-STING-TBK1-Signalweg, eine Schlüsselkomponente der angeborenen Immunantwort. Dieser Signalweg wird aktiviert, wenn das cGAS-Enzym fremde DNA in Zellen erkennt, was eine Kaskade von Ereignissen auslöst, die zur Produktion von Typ-I-Interferonen und anderen Entzündungsmediatoren führen.
Dr. Vivian Hyde, die Hauptautorin der Studie, erklärt: „Wir haben festgestellt, dass das Tau-Protein mit dem cGAS-STING-TBK1-Signalweg in einer Weise interagiert, die dazu beiträgt, Neuronen vor HSV-1-induzierten Schäden zu schützen. Dies ist ein Paradigmenwechsel in unserer Sichtweise auf die Rolle von Tau bei der Alzheimer-Krankheit.“
Die Forscher verwendeten eine Kombination aus In-vitro- und In-vivo-Experimenten, um zu zeigen, dass das Tau-Protein die Aktivierung des cGAS-STING-TBK1-Signalwegs als Reaktion auf eine HSV-1-Infektion verstärkt. Diese Aktivierung führt zu einer erhöhten Produktion antiviraler Proteine, die dazu beitragen, die Virusreplikation zu begrenzen und Neuronen vor Schäden zu schützen.
Interessanterweise fand die Studie auch heraus, dass das APOE4-Gen, ein bekannter Risikofaktor für AD, die Interaktion zwischen Tau und dem cGAS-STING-TBK1-Signalweg beeinflussen kann. Personen, die die APOE4-Variante tragen, zeigten veränderte Reaktionen auf HSV-1-Infektionen, was möglicherweise das erhöhte AD-Risiko in dieser Population erklärt.
Dr. Hyde merkt an: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Rolle von Tau bei AD komplexer sein könnte als bisher angenommen. Während eine übermäßige Tau-Akkumulation eindeutig schädlich ist, könnte ein gewisses Tau-Niveau notwendig sein, um Neuronen vor Virusinfektionen zu schützen.“
Diese Forschung hat bedeutende Auswirkungen auf unser Verständnis der AD-Pathogenese und potenzielle Behandlungsstrategien. Sie deutet darauf hin, dass Therapien, die auf die vollständige Eliminierung des Tau-Proteins abzielen, unbeabsichtigte Folgen haben könnten, indem sie Neuronen möglicherweise anfälliger für Virusinfektionen machen.
Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung der Berücksichtigung von Virusinfektionen, insbesondere HSV-1, bei der Entwicklung von AD. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Personen mit einer Vorgeschichte von HSV-1-Infektionen ein erhöhtes Risiko haben, AD zu entwickeln, und diese neue Studie liefert einen möglichen Mechanismus für diesen Zusammenhang.
Mit Blick auf die Zukunft eröffnet diese Forschung neue Wege für therapeutische Interventionen. Dr. Hyde schlägt vor: „Indem wir verstehen, wie Tau mit dem cGAS-STING-TBK1-Signalweg interagiert, könnten wir in der Lage sein, gezielte Therapien zu entwickeln, die die schützenden Aspekte von Tau verstärken und gleichzeitig seine neurotoxischen Effekte minimieren.“
Während wir weiterhin die komplexen Beziehungen zwischen Virusinfektionen, Immunantworten und neurodegenerativen Erkrankungen entschlüsseln, dient diese Studie als Erinnerung an die Bedeutung der Berücksichtigung mehrerer Faktoren bei der AD-Pathogenese. Sie unterstreicht auch das Potenzial unerwarteter Entdeckungen, unser Verständnis von Krankheitsprozessen neu zu gestalten und die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien zu leiten.
Zusammenfassung der Forschungsarbeit:
1. Methodik:
– In-vitro-Experimente mit kultivierten Neuronen und Mikroglia
– In-vivo-Studien mit Mausmodellen für HSV-1-Infektion und AD
– Molekularbiologische Techniken zur Untersuchung von Proteininteraktionen und Signalwegen
2. Hauptergebnisse:
– Tau-Protein verstärkt die Aktivierung des cGAS-STING-TBK1-Signalwegs als Reaktion auf HSV-1-Infektion
– Diese verstärkte Aktivierung führt zu einer erhöhten Produktion antiviraler Proteine
– Der APOE4-Genotyp beeinflusst die Interaktion zwischen Tau und dem cGAS-STING-TBK1-Signalweg
3. Einschränkungen der Studie:
– Hauptsächlich auf Mausmodelle und Zellkulturen fokussiert
– Weitere Forschung erforderlich, um Ergebnisse beim Menschen zu bestätigen
– Langzeiteffekte der Tau-vermittelten antiviralen Antworten nicht vollständig untersucht
4. Diskussion & Schlussfolgerungen:
– Stellt das derzeitige Verständnis der Rolle von Tau bei AD in Frage
– Deutet darauf hin, dass ein nuancierterer Ansatz für Tau-zielgerichtete Therapien notwendig sein könnte
– Unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung von Virusinfektionen bei der AD-Pathogenese
– Eröffnet neue Wege für potenzielle therapeutische Interventionen, die auf den cGAS-STING-TBK1-Signalweg abzielen
Quelle
Vanesa R. Hyde et al. Anti-Herpetic Tau Preserves Neurons via the cGAS-STING-TBK1 Pathway in Alzheimer’s Disease, Cell Reports (2025). DOI: 10.1016/j.celrep.2024.115109. www.cell.com/cell-reports/full … 2211-1247(24)01460-8